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Genaue Wortwahl im Testament

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Geben Eheleute in ihrem gemeinschaftlichen Testament an, dass Erben des Letztversterbenden „unsere gemeinschaftlichen Abkömmlinge zu gleichen Teilen“ sein sollen, dann umfasst diese Formulierung nicht nur die gemeinsamen Kinder, sondern auch Enkel und Urenkel. FOTO: DPA

Von Ingrid Beelenherm LANDKREIS. Ein gemeinschaftliches Testament ist als spezielle Art einer letztwilligen Verfügung die Zusammenfassung von gemeinschaftlich getroffenen Verfügungen in nur einem Testament. In diesem können sämtliche Verfügungen getroffen werden, die auch in einem Einzeltestament getroffen werden könnten. Ein gemeinschaftliches Testament kann nur von Ehegatten (gemäß § 2265 Bürgerliches Gesetzbuch) und von eingetragenen Lebenspartnern (gemäß § 10 Absatz 4 Lebenspartnerschaftsgesetz) errichtet werden. In einem gemeinschaftlichen Testament können sich Ehegatten beziehungsweise eingetragene Lebenspartner gegenseitig zu alleinigen Erben einsetzen. Sie können weiterhin bestimmen, dass der Nachlass nach dem Tod beider auf einen oder mehrere Dritte – in der Regel auf die gemeinsamen Kinder – übergehen soll. In diesem Fall spricht man von einem „Berliner Testament“, das in der Praxis häufig anzutreffen ist.Geben nun Eheleute in ihrem gemeinschaftlichen Testament an, dass Erben des Letztversterbenden „unsere gemeinschaftlichen Abkömmlinge zu gleichen Teilen“ sein sollen, umfasst die Formulierung „Abkömmlinge“ nicht nur die gemeinsamen Kinder, sondern auch Enkel und Urenkel. Dies geht aus einer jüngst getroffenen Entscheidung des Oberlandesgerichtes Oldenburg hervor (Urteil AZ 3 U 24/18 vom 11.9.2019).  

Enkel und Urenkel als „unsere gemeinsamen Abkömmlinge“ im gemeinsamen Testament

Im zugrunde liegenden Streitfall hatten sich die Eheleute in einem notariellen Testament gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Weiterhin hatten sie verfügt, dass Erben nach dem Letztversterbenden „unsere gemeinschaftlichen Abkömmlinge zu gleichen Anteilen“ sein sollten. Der „Überlebende“ hatte allerdings auch die Möglichkeit, die Erbfolge „unter den gemeinsamen Abkömmlingen abändern“ zu können.

So geschah es auch: Die ihren Ehemann überlebende Ehefrau setzte in einem zweiten Testament ihre eine Tochter und deren Sohn zu ihren Erben ein. Die zweite Tochter zweifelte das neuere Testament an, denn sie war der Ansicht, dass unter „gemeinschaftliche Abkömmlinge“ nur die gemeinsamen Kinder zu verstehen seien. Die Erbeinsetzung des Enkelkindes sei nicht möglich, und die Erbeinsetzung der überlebenden Ehefrau sei unwirksam.

Erben seien entsprechend der Formulierung in dem ersten gemeinsamen Testament die gemeinsamen Kinder der Eheleute. Die zweite Tochter klagte vor dem Landgericht Osnabrück, das der Klägerin Recht gab.
  

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Ingrid Beelenherm

Gegen dieses Urteil wandten sich die von der Mutter eingesetzte Tochter und deren Sohn mit ihrer Berufung zum Oberlandesgericht (OLG). Sie vertraten die Ansicht, das Testament der Ehefrau sei wirksam und der Enkelsohn könne als Erbe eingesetzt werden.

Die Berufung war erfolgreich: Das OLG Oldenburg entschied, dass der Begriff „Abkömmlinge“ nicht nur auf Kinder beschränkt sei. Bereits aus dem Gesetz (§ 1924 BGB) ergibt sich demnach, dass der Begriff „Abkömmlinge“ auch Enkel und Urenkel umfasst.

Seien nur die Kinder gemeint gewesen, hätten die Erblasser den Begriff „Kinder“ gewählt. In der täglichen Praxis sei auch plausibel, dass die Eheleute alle lebenden Abkömmlinge im Erbfall gleich behandeln wollten – ganz gleich, ob Kinder, Enkel oder Urenkel.

Dies begründete das OLG mit der Feststellung, dass die eigenen Kinder im Zeitpunkt des Erbfalls selbst schon über eine gefestigte Lebensstellung und Vermögen verfügen, während Enkel und Urenkel noch finanzielle Unterstützung benötigen.

Dieser Fall aus der Praxis zeigt, dass es wichtig ist, die Folgen einer letztwilligen Verfügung genau zu bedenken, um ungewollte Ereignisse und Unfrieden zu vermeiden.

Die Autorin ist selbstständige Steuerberaterin in Ahnsen.